Ein guter Metzger entfaltet eine Anziehungskraft für Kunden, die über den eigenen regionalen Radius hinausgeht. In dieser Aussage sind sich Katharina Koch und Christoph Grabowski einig. Beide Fleischermeister haben für sich den Geschmack, die Nachhaltigkeit und die Einzigartigkeit regionaler Spezialitäten in den Mittelpunkt des täglichen Handwerks gesetzt. Und beide sind sich darüber einig, dass moderne Technik in der Fleischverarbeitung das Zeug hat, die Wertschöpfung zu verbessern. Dabei gilt ebenfalls, schneller zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Die gewonnene Zeit lässt sich so für die Entwicklung neuer Produkte nutzen und vor allem für auch den Kontakt zu den Kunden vor der Ladentheke. Einige junge Fleischliebhaber wagen heutzutage den Schritt in die Selbstständigkeit. Dazu gehören auch kreative landwirtschaftliche Betriebe als Selbstvermarkter, sowie Töchter und Söhne die die Betriebe ihrer Eltern übernehmen. Weber Maschinenbau begleitet den Generationswechsel mit abgestimmten technischen Lösungen, die Freiraum schaffen für genau diese Entwicklung zu mehr Vielfalt und Regionalität.
Ahle Wurscht ist Kulturgut
Im Sommer kommt es in Kassel zur 15. Auflage der documenta, der weltweit bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst. In den Sommermonaten können alle Kulturhungrigen ihre Lust auf Außergewöhn- liches auch schmecken. Die Landfleischerei Koch wird auch 2022 wieder ihre Ahle Wurscht als offizielle documenta-Verköstigung produzieren. Der Familienbetrieb aus Kassel-Calden setzt damit weiter erfolgreich auf seine regionale Kompetenz – und dies unter den Augen des internationalen Kunsthappenings.
Warum dieser Exkurs in die Kunst? Für Katharina Koch stellt die documenta 15 das Großereignis in Nordhessen schlechthin dar, das sie als Chefin des elterlichen Fleischereibetriebs mit regionalen Produkten begleitet. Ihr „Wurstehimmel“ hat auch über Kassel hinaus Kult(ur)status – und das aus qualitativen, regionalen und vor allem geschmacklichen Gründen. „Jeder Mensch ist ein Künstler“, sagte Joseph Beuys, selbst mal Teilnehmer auf einer documenta. Und so ähnlich verhält es sich heute im Fleischerhandwerk. Erfolgreiche Metzger gehen kreativ mit ihren regionalen Wurzeln und Erzeugnissen um.
Tiere komplett verwerten
Wertschätzung für guten Geschmack heisst auch Wertschätzung für das Tier – schon aus Gründen der gebotenen Nachhaltigkeit. Vor diesem Hintergrund verfolgt gerade das Fleischerhandwerk das Ziel, die geschlachteten Tiere komplett zu verwerten. Spätestens jetzt stellt sich die Frage nach der Wertschöpfung mit der dafür aufzubringenden Zeit. In diesem Zusammenhang nimmt das maschinelle Entvliesen von Fleischstücken viel Zeitdruck weg. Die neu entdeckten Teilstücke, die vorher in der Wurst gelandet wären, lassen sich mit einem Entvlieser effizient veredeln und anschließend zu einem höheren Preis verkaufen. „Das sind Maschinen zum Geldverdienen, wenn man ganze Tiere vermarkten will“, bringt es Christoph Grabowski auf den Punkt. Katharina Koch ergänzt: „Was Zeit spart und uns gleichzeitig die Arbeit erleichtert, ist extrem wertvoll. Wenn wir maschinell entvliesen, haben wir am Teilstück auch noch weniger Verlust. Das bekommt niemand per Hand so hin – auch nicht mit noch so viel Geschick und Routine. Außer man bearbeitet ein Stück stundenlang. Aber die Zeit hat ja niemand.
Entvliesen erhöht Wertschöpfung
Christoph Grabowski, international gefragter Experte in der Fleischbranche und leidenschaftlicher Fürsprecher des Metzgerhandwerks, sieht bei der Veredelung von Stücken, die vorher in der Wurstproduktion verarbeitet wurden, noch einen weiteren Effekt. Mit der maschinellen Unterstützung eröffnen sich dem Handwerksbetrieb neue Möglichkeiten für Produkte –, gerade im beliebten Grillsortiment. „Ein Schwein besteht nun einmal nicht nur aus Schnitzel, Schinken, Filet oder Kotelett“, betont Grabowski, der seine Leidenschaft für Fleisch und seine Expertise bereits in mehreren Büchern zu neuen Cuts von Rind und Schwein dokumentiert hat.
Mit dem Einsatz eines Entvliesers von Weber Maschinenbau verarbeitet der vor mehr als 140 Jahren in Calden gegründete Familienbetrieb Koch heute zum Beispiel das weitgehend unbekannte Kachelfleisch eines Schweins zu zarten Grillsteaks. Zur Orientierung: Kachelfleisch gehört als Teilstück zum Hinterschinken und befindet sich oberhalb des Hüftknochens. „Das kam vor den heutigen Möglichkeiten der Veredelung eigentlich immer in die Wurst“, blickt Katharina Koch zurück. Aktuell besonders gefragt sind daher technische Lösungen für neue Produkte, mit denen das Fleischerhandwerk neue Fans gewinnen kann. „Wir brauchen Maschinen, die auf handwerkliche Belange zugeschnitten sind. Es gilt dabei nicht in langen Produktionsstraßen zu denken, sondern Lösungen für kleine Chargen und Individualität zu bieten“, fordert die Fleischermeisterin aus Nordhessen. Denn nicht zuletzt sind Individualität und Regionalität probate Möglichkeiten zur Differenzierung.
Handwerk braucht Partnerschaft
Laut Koch zeige die aktuelle Entwicklung aber leider, dass sich viele Hersteller von Systemen für die Fleisch- und Lebensmittelverarbeitung immer mehr vom Handwerk entfernen. „Wir werden nicht mehr gut versorgt. Meine Vermutung ist, dass wir als Zielgruppe für den Maschinenbau uninteressant geworden sind.“ Grabowski und Koch sind sich einig, dass Handwerksbetriebe mehr denn je auf ihren Bedarf abgestimmte maschinelle Lösungen brauchen, nicht nur für das Veredeln von Fleischteilstücken mithilfe von Entvliesern, sondern ebenso für andere Prozessschritte wie das Entschwarten und Entfetten. Maschinenhersteller haben es damit in der Hand, das Handwerk zu unterstützen.
Dank der über 40-jährigen Erfahrung wissen die Skinner-Experten von Weber Maschinenbau: Das Handwerk setzt auf gute Maschinen. Gerade angesichts der gezeigten Vielfalt ist das Handwerk für Weber ein interessanter Kundenstamm. Für Weber lohnt es sich, hier in den fachlichen Austausch zu gehen und auch Maschinenentwicklungen partnerschaftlich voranzutreiben – das war vor 40 Jahren so und ist es noch heute. „Wir gehören dabei ganz klar mit zu den Produktentwicklern neuer Maschinen“, unterstreicht Christoph Grabowski. „Alle Beteiligten haben am meisten davon, wenn offen und eng zusammengearbeitet wird. Wenn eine echte Partnerschaft entsteht, von der alle profitieren.“ Doch mit der Lieferung von technischen Lösungen allein ist es nicht getan. Mindestens ebenso wichtig ist schnelle und persönliche Hilfe auf Augenhöhe, wenn eine Maschine ausfällt. „Wenn du im Service anrufst und die erste Ansage auf Englisch kommt, kriegt mein Vater schon die Krise“, verrät Katharina Koch.
„Erlebnis Fleisch“ als Perspektive
Neue Cuts, Regionalität, Nachhaltigkeit und höhere Wirtschaftlichkeit durch clevere Technik sind also einige Stellschrauben, an denen Fleischer in der heutigen Zeit drehen können, um sich abzuheben und zukunftsfä- hig zu sein. „Über klassische Produkte gelingt Differenzierung heutzutage kaum noch, die sind in der Regel sehr vergleichbar. Stattdessen muss der Metzger zur Marke werden“, unterstreicht Katharina Koch. „Marketing für sich und die eigenen Produkte ist ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor. Das ist für viele Handwerksbetriebe aber noch sehr weit weg.“ Gerade im Wettbewerb mit dem Fleisch- und Wurstangebot der scheinbar übermächtigen Supermärkte und Discounter könne dies zum entscheidenden betrieblichen Überlebensfaktor werden. Ein Blick in die Branche zeigt: Lokale Handwerksbetriebe verschwinden immer mehr. „Ich komme aus Castrop-Rauxel. Da gab es früher an jeder Kreuzung eine produzierende Fleischerei – heute keine mehr und das bei rund 76.000 Einwohnern“, beschreibt Christoph Grabowski. Das, was er in seiner Heimatstadt erlebte, spiegelt sich bundesweit in einer erschreckenden Abwärtslinie wider. Laut Sta- tista sank die Zahl an Betrieben des Fleischerhandwerks von knapp 19.000 in 2002 in einer linearen Linie auf gut 11.000 in 2020.
Insgesamt müssen sowohl der Beruf des Metzgers als auch das Fleischerhandwerk wieder mehr Anerkennung und Wertschätzung erfahren, um attraktiv für Nachwuchsfachkräfte zu sein und dem Betriebssterben ein Ende zu setzen. Für Christoph Grabowski braucht dieser Prozess ganz wesentlich den Betrieb selbst. Der Metzgermeister habe seine Wurstküche zu verlassen, um insbesondere an ver- kaufsstarken Tagen wie Freitag und Samstag im Verkauf zu stehen. „Warum zerlegen wir nicht an der Theke und nehmen die Kunden direkt mit ins Handwerk? So können wir zeigen, dass es sich um Teilstücke eines Tieres handelt und nicht um ein anonymes Stück Fleisch aus dem Vakuum.“ So könne Expertise sichtbar und erlebbar gemacht werden. Das wertet nicht nur das Produkt Fleisch, sondern auch den Beruf des Fleischers sowie das Handwerk auf. „Wir müssen dazu übergehen, das Handwerk anders zu bewerten. Der Fleischer von morgen wird Kulturgut und Fleisch muss zum Konsumerlebnis werden. Das schafft Zukunft“, ist Christoph Grabowski überzeugt.
Autor: André Michel